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5 Irrtümer über Automatisierung im Lager

19.06.2023

Selbstfahrende Flurförderzeuge sind teuer, sorgen für Stellenabbau und sind hochkompliziert in Bedienung, Wartung und Reparatur. So zumindest einige Vorurteile, die über AGVs (Automated Guided Vehicle) kursieren.

Welche davon haben einen wahren Kern und welche sind komplett unbegründet? Wir haben mit unserem Kollegen Mel Alexander Bruns, Produktspezialist Automatisierung bei Jetschke Industriefahrzeuge (GmbH & Co.) KG gesprochen und einige Mythen aufgedeckt.

1. Das Preis-Leistungs-Verhältnis stimmt nicht – die Geräte sind unverhältnismäßig teuer.

MB: Obwohl AGVs im Vergleich zu herkömmlichen Gabelstaplern, insbesondere Deichselgeräten, teurer sind, sollten sie als Investition betrachtet werden, die sich langfristig auszahlt und nach gewisser Zeit eine Ersparnis darstellt. In der Regel amortisiert sich die Investition innerhalb von ein bis zwei Jahren.

Durch den Einsatz von AGVs und verschiedenen Mechanismen zur Kollisionsvermeidung fallen Schäden an Gebäude und Einrichtung weg, was wiederum Kosten für Reparatur und Instandhaltung einspart. Zusätzlich haben AGVs eine deutlich längere Laufzeit als herkömmliche Lagertechnikgeräte. Während ein normales Lagertechnikgerät durchschnittlich etwa 4.000 Stunden eingesetzt wird, kann ein Linde MATIC AGV über 20.000 Stunden genutzt werden. Es ist auch wichtig zu berücksichtigen, dass die Suche nach geeignetem Personal sowie die Einarbeitung neuer Angestellter oft kostenintensive Monate in Anspruch nehmen kann.

2. Die Technik ist noch nicht ausgereift – durch AGVs steigt das Unfallrisiko.

MB: Im Gegenteil, der Einsatz von automatisierten Maschinen im Lager führt zu einem geringeren Unfallrisiko. Die selbstfahrenden Fahrzeuge sind jederzeit zu 100% aufmerksam und bewegen sich in einer Sicherheitsklasse (Performance Level D) zwischen Flugzeugtechnik und selbstfahrenden Autos.

Sobald ein Hindernis oder eine Person erkannt wird, stoppt das Fahrzeug automatisch und fährt wieder an, sobald das Hindernis aus dem Weg ist. Im Vergleich dazu stellt der Mensch immer eine potenzielle Gefahrenquelle dar. Müdigkeit und Unaufmerksamkeit beim Arbeiten mit schweren Maschinen gehören zu den Hauptgefahrenquellen in Logistikprozessen. Es ist leider unmöglich, als Mensch immer und zu 100% aufmerksam zu sein.

3. Mit AGVs verliert man an Flexibilität, da die Maschinen nur nach Schema F arbeiten.

MB: Das stimmt bedingt. Zwar sind automatisierte Fahrzeuge in der Lage, verschiedene Palettentypen zu transportieren und individuelle Prozesse abzubilden, dafür ist es aber wichtig, dass die Prozesse standardisiert sind. Diese werden als "Prozesse mit geringer Wertschöpfung" bezeichnet. Die automatisierten Fahrzeuge eignen sich besonders für einfache Transportaufgaben wie das Bewegen von Paletten von A nach B oder das Bereitstellen von Material für LKW oder Schmalgang- und Breitganglageranwendungen.

Dadurch haben die Angestellten mehr Zeit, sich auf anspruchsvollere oder spontan anstehende Aufgaben zu konzentrieren, die menschliches Know-how erfordern.

4. Reparaturen sind aufgrund der komplexen Technik sehr kompliziert und es bedarf aufwändiger Schulungen für Mitarbeitende.

MB: Die Bedienung der Linde AGVs sowie die Instandsetzung der Geräte ist vergleichbar einfach und unterscheidet sich in Sachen Komplexität kaum von der von herkömmlichen Gabelstaplern. Ein großer Vorteil bei den Linde-Geräten ist außerdem, dass die automatisierten Fahrzeuge auf unseren herkömmlichen Linde Maschinen aufbauen. AGVs verfügen zwar über zusätzliche Bauteile, dennoch ist unser gesamtes Linde Servicepersonal in der Lage, die Linde MATIC AGVs zu warten und zu reparieren. Die Ersatzteilversorgung ist ebenfalls über unseren gewohnten Expressservice geregelt.

Sollte es dennoch zu Problemen kommen, steht speziell ausgebildetes Fachpersonal aus dem Bereich der Automatisierungstechnik und -programmierung vor Ort in Hamburg zur Verfügung.

Grundsätzlich kann man sagen: Die Bedienung der Fahrzeuge erfordert nicht mehr als das Einschalten und Starten des Geräts.

5. Selbstfahrende Maschinen machen Mitarbeitende im Lager überflüssig.

MB: AGVs sind kein Ersatz für Fachpersonal, sondern sollen lediglich repetitive Aufgaben wie den Transport von Gütern automatisieren, um Zeit und Ressourcen freizusetzen. Die Angestellten können dadurch anspruchsvollere und wertschöpfende Tätigkeiten übernehmen, die ihren Fähigkeiten und Kompetenzen besser entsprechen. Menschen für Aufgaben einzusetzen, die genauso gut AGVs übernehmen können, wäre verschwendetes Potenzial.

Das Ziel der Automatisierung ist daher nicht Stellenabbau, sondern langfristig gegenüber Schwankungen am Arbeitsmarkt standhaft zu bleiben und die Effizienz zu steigern. Ebenso erleben wir oft, dass es für Arbeitskräfte in Betrieben in denen automatisiert wird, die Möglichkeit gibt, die eigene Karrierelaufbahn am Schopf zu packen und einen Facharbeitsplatz in der Anlagenbedienung der AGVs zu übernehmen.

Obwohl selbstfahrende Lagertechnikgeräte in der Lage sind, Arbeiten zu erledigen die früher ausschließlich von Menschen ausgeführt wurden, können sie die Fähigkeiten und Erfahrungen der Mitarbeitenden nicht restlos ersetzen, sondern viel mehr ergänzen. Viele Aufgaben erfordern nach wie vor menschliche Intuition oder Kreativität.

Wie gehen mittelständische Unternehmen Automatisierungsprojekte am besten an?

MB: Grundsätzlich empfiehlt es sich, Automatisierungsprojekte step by step anzugehen anstatt die Zukunft zu verschlafen. Wir erleben es häufig, dass der erste Wunsch ist, das Rad neu zu erfinden und am liebsten soll von heute auf morgen jeder Prozess automatisiert und digitalisiert werden. Unsere Erfahrung zeigt aber: „Ein kleiner Start ist besser als kein Start.“ Durch den schrittweisen Einsatz selbstfahrender Fahrzeuge erlaubt man es dem eigenen Unternehmen zusammen mit der neuen Technologie organisch zu wachsen und ermöglicht den Menschen im Unternehmen den Umgang mit den neuen Roboter-Teammitgliedern spielend zu erlernen.